Funktionalanalytische Methoden in der klassischen Physik. Nichtlineare Theorie (SoSe23)
Vorlesung von Dr. Holger Stephan (WIAS) an der HUBerlin
Modulbeschreibung (konkrete Themen sind weiter unten aufgelistet):
Viele Probleme in der klassischen Physik sind Minimumprobleme. So ruht ein
Körper an der Stelle, an der seine potentiellen Energie ein Minimum hat. Licht
wählt den Weg der kürzesten Zeit (Fermatsches Prinzip). Die Dynamik eines
klassischen Teilchens erfüllt das Prinzip der kleinsten Wirkung.
Zu jedem solchen Problem - wenn es gut modelliert ist - gibt es ein duales
Problem, das sich häufig als Maximumproblem formulieren läßt.
Die Idee von Lagrange war es beide Probleme gemeinsam als Sattelproblem zu
betrachten. Die entsprechende Funktion, die diesen Sattel bildet heißt
Lagrangefunktion (oder Sattelfunktion). Sie erfüllt das starke Dualitätsprinzip
(oder Minimax-Theorem). Ein Problem kann man erst als gut modelliert
betrachten, wenn man eine Lagrangefunktion gefunden hat, die es beschreibt.
Dieselbe Idee erklärt auch, warum man ein bedingtes Extremalproblem mit n
Freiheitsgraden und m Nebenbedingungen nicht als Problem mit n-m Parametern
sondern mit einer Lagrangefunktion im n+m dimensionalen Raum beschreibt.
In der Vorlesung werden die mathematischen Grundlagen des Lagrangeformalismus
(Variationsrechnung) behandelt und die vier Bilder der klassischen Dynamik
(Newtonsche Gleichung, Lagrangegleichung, Hamiltongleichung,
Hamilton-Jacobi-Gleichung) als Beispiele betrachtet.
Ort und Zeit
Vorlesung wöchentlich Dienstags
09:00 bis 11:00 ,
beginnend mit dem 18.04.2023
Übung 2-wöchentlich Dienstags
11:00 bis 13:00 ,
beginnend mit dem 02.05.2023
Ort: Johann von Neumann-Haus - Raum 1.012 Rudower
Chaussee 25 (RUD25)
+
Beweise, daß für jede Funktion F(x,y) zweier beliebiger Variabler x und y das
schwache Dualitätsprinzip gilt, d.h., dass gilt:
max_x min_y F(x,y) <= min_y max_x F(x,y)
+
Berechne auf zwei Weisen das (bedingte) Minimum der Funktion zweier reeller
Veränderlicher F(x,y) = (x^2+y^2)/2 unter der Bedingung, dass für x,y gilt: a x
+ b y = c (mit reellen Parametern a,b,c):
1) Durch Einsetzen der Nebenbedingung in die Funktion.
2) Mit der Lagrangemethode.
+
Ein n-dimensionaler (rechtwinkliger) Simplex ist der Körper der von den
Vektoren (0,...,0),
(a_1,0,...,0), (0,a_2,...,0), ..., (0,0,...,a_n) aufgespannt wird. Berechne
seine Höhe mit der Lagrangemethode. Welche Bedeutung hat der Lagrangemultiplikator?
Beweise den Satz des Pythagoras: A^2 = A_1^2+...+A_n^2, wobei A die
(n-1)-dimensionale "Grundfläche"
und A_i die (n-1)-dimensionale "Seitenfläche" des Simplex, die nicht a_i enthält, ist.
+
Gegeben sei der Operator (die Matrix) A = { { -a,a},{b,-b} }.
Berechne seinen adjungierten im Hilbertraum L_2 über dem Maß {b,a}.
+
Wir betrachten 4 Massen, die mit 6 Federn (jede mit jeder) verbunden sind.
Berechne die Matrizen D, C und A = D* C D.
Welche Bedeutung hat D*?
Hängt A von der Verteilung der +1 und -1 in D ab?
+
Finde x_0, y_0, min_y L, max_x L und max_x min_y L für das allgemeine
quadratische Funktional. Siehe Skript S.22/23.
+
Eine Aufgabe zur Verdeutlichung der Rolle des quadratischen Terms in der
Lagrangefunktion (zur Frage eines Studenten warum Lagrange regularisierte
Probleme betrachtet hat).
Es sei X=R_1, Y=R_2, D^*=(a1 a2) (also D hat eine Spalte und zwei Zeilen),
b=(b1 b2)^* (Spaltenvektor), f=f (Skalar), C = ( (c,0), (0,c) ) (Diagonalmatrix
mit c auf der Diagonalen).
1) Berechne x0, y0
2) Wir setzen c=0 (kein quadratischer Term). Warum läßt sich mit der
Lagrangemethode nur x0 aber nicht y0 bestimmen? Welche Zusatzbedingung muß
gesetzt werden, damit auch y0 bestimmt werden kann?
+
Bereche L aus L_0. (Siehe S. 81 im Skript)
+
Wann definiert die Matrix A = { {a,b},{c,d} } ein faires Spiel?
Es sei L eine n x m Matrix mit Einträgen aus [0, 1]. Beweise (falls es stimmt,
das ist noch eine Vermutung, die aber mit höchster Wahrscheinlichkeit stimmt),
daß der Anteil der Matrizen, die das Minimax-Theorem erfüllen m!n!=(n +
m - 1)! ist.
+
An einer Badewanne sind n Hähne installiert. Jeder einzelne füllt die Wanne in
T_i Minuten. Wie lange dauert es, bis die Wanne gefüllt ist, wenn alle Hähne
geöffnet werden?
Angenommen, es stecken zwei (drei, vier, ..., n) Nägel
in der Wand. Wie kann man den Faden eines Bildes um diese Nägel schlingen,
dass das Bild sicher an der Wand hängt, und zu Boden fällt, wenn einer der
Nägel, egal welcher, herausgezogen wird?
+
Beweise die Jensensche Ungleichung für n Punkte ausgehend von der Jensensche
Ungleichung für 2 Punkte (Definition der Konvexität einer Funktion).
+
Beweise, daß ein symmetrischer Operator A (in Form seiner dualen Paarung
)
vollständig definiert ist, wenn er auf der Diagonalen definiert ist.
+ (Siehe 3.2.12, S.53 im Skript)
Es seien A, B, C symmetrische, positive, invertierbare Operatoren, F_A(x) =
1/2 , F_B, F_C analog, seien quadratische Funktionale. Beweise, daß
F_A * F_B = F_C (d.h., daß die infimale Faltung zweier quadratischer
Funktionale wieder ein quadratisches Funktional ist).
Berechne C aus A und B auf zwei Weisen:
1) Durch Berechnung von F_A * F_B
2) Durch Berechnung von (F_A^* + F_B^*)^*
Bemerkung: Die Sterne seien 6-zackige.
Lösung: 1) ergibt C = A (A+B)^(-1) B,
2) ergibt C = (A^(-1) + B^(-1))^(-1)
Folglich ist das eine Möglichkeit, (A^(-1) + B^(-1))^(-1) mit nur einer
Invertierung
darzustellen, nämlich als( A^(-1) + B^(-1))^(-1) = A (A+B)^(-1) B
+
Fortsetzung der letzten Aufgabe:
Es seien A, B, C, D symmetrische, positive, invertierbare Operatoren/Matrizen.
Vereinfache (A^(-1) + B^(-1) + C^(-1))^(-1), so daß
höchstens zwei Invertierungen erforderlich sind.
Vereinfache (A^(-1) + B^(-1) + C^(-1) + D^(-1))^(-1), so daß
höchstens drei Invertierungen erforderlich sind.
+
Beweise, daß stets F^** <= F (Siehe 3.2.4, S.50 im Skript)
+
Es sei F:R->R eine stückweise affine Funktion. Was könnte die kanonische
Darstellung für so eine Funktion in Lichte der
Dualitätstheorie. Genauer: Für welche Darstellungform ist die
Legendretransformation besonders leicht zu berechnen.
+
Es sei F:R->R, glatt und T_y(x) die Tangente an F im Punkt F(y).
Beweise: sup_y T_y(x) = F(x)
+
Ein Fahrzeug fährt ohne Gegen- und Rückenwind mit der Geschwindigkeit v eine
Strecke L hin und zurück.
1) Wie ändert sich die benötigte Zeit,
wenn Gegen- bzw Rückenwind mit einer Geschwindigkeit v_0 herrscht. Wir nehmen
an, daß sich in diesem Beispiel die Geschwindigkeiten addieren.
2) Angenommen, die benötigte Zeit mit Gegen- bzw Rückenwind wird gemessen.
Wie wäre die benötigte Zeit ohne Wind.
+
Schaue im Internet ein Video zum Dschanibekow-Effekt ohne Erklärung
(z.B.
z.B. hier bis 2:07 ).
Ist hier der Drehimpulserhaltungssatz verletzt?
+
Untersuche, ob L^* (siehe S.87 unten im Skript) eine Lagrengefunktion ist.
+
Wenn Max die Rolltreppe hinaufgeht, zählt er 15 Stufen.
Wenn er die Rolltreppe
gegen die Fahrtrichtung hinabsteigt, sind es 35 Stufen.
Wieviel (sichtbare) Stufen hat die Rolltreppe, wenn sie steht? (15.1.2 im Skript)
Siehe hierzu auch die Lösungen der Gegenwindaufgabe (15.1.1 im Skript)
Eine spezielle Sattelfunktion. (Im Skript bei den Aufgaben 15.3.3)
(Sehr schwere Aufgabe)
Eine Verallgemeinerung der Jensenschen Ungleichung.
(Im Skript bei den Aufgaben 15.3.4)
(Ziemlich schwere Aufgabe)
+
Löse das "2 Töpfe und 1 Schlauch"-Gleichungssystem (siehe 15.2.2).
+
Vergleiche für eine einfache Aufgabe (radioaktiver Zerfall) die numerischen
Verfahren Euler-vorwärts und Euler-rückwärts. Warum wird für solche Aufgaben
die "unphysikalische" Methode Euler-rückwärts verwendet?
+
Berechne eine Legendretransformation (Im Skript bei den Aufgaben 15.3.2)
+
Ein Basketballer trainiert Korbwürfe und ermittelt nach jedem Wurf seine
Trefferquote (Treffer
geteilt durch Gesamtwurfzahl in Prozent). Zu einem Zeitpunkt ist die
Trefferquote etwa 85%.
Nach weiterem Training ist die Trefferquote etwa 93%.
Beweise, daß es einen Zeitpunkt gab,
bei dem die Trefferquote exakt 90% betrug und den Zusatz (siehe 15.1.3)
+
Beweise die Chebyshev-Ungleichung (siehe 15.3.1)
+
Beweise die Identität in 15.2.1.
----------------------------- Neue Aufgaben
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Im Inneren eines Winkels mit gebenen Schenkeln seien zwei
Punkte gegeben. Finde den kürzeste Weg von einem Punkt zum anderen derart,
daß jeder der beiden Schenkel genau einmal berühert wird.
Finde den kürzeste Weg in einem gegebenen spitzwinkligen Dreieck,
der alle drei Seiten genau einmal berühert. Oder mit anderen Worten:
Suche in einem Dreieck
mit innen spiegelnden Wänden einen geschlossenen Lichtweg, der an jeder
Dreiecksseite einmal reflektiert wird.
Themen in der Vorlesung:
Stationäre Aufgaben in vier Banachräumen
Sattelprobleme
Lagrangemethode (bedingte Extrema)
Spieltheorie
lineare Optimierung
Klassische Dynamik
Newtonsche Gleichung
Lagrangemechanik (Dualität von Freiheit und Zwang)
Hamiltongleichung (Dualität extensiver und intensiver Größen)
Hamilton-Jacobi-Gleichung (Dualität von Welle und Teilchen)
Harmonische Analysis
Sinnvoll sind rudimentäre Kenntnisse in:
Klassischer Physik
konvexer Analysis
Theorie gewöhnlicher und partieller Differentialgleichungen
Empfohlene Literatur:
Ausgezeichnetes Buch fürs prinzipielle Verständnis
(Sicht der linearen Algebra):
Gilbert Strang. Introduction to Applied Mathematics
!!!
Gibts auch irgendwo im Internet. Z.B. eingeschränkt
hier
Das Einführungsbeispiel mal durchgerechnet gibt es auch hier (Ab S. 129)
Gilbert Strang. Linear Algebra and Its Applications