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Phasenübergänge

  Bearbeiter: W. Dreyer , F. Duderstadt  

Kooperation: W. H. Müller (Heriot-Watt University, Edinburgh, Großbritannien), P. Colli, G. Gilardi (Universität Pavia, Italien), S. Eichler (Freiberger Compound Materials GmbH, Freiberg), J. Sietsma (Laboratory of Materials Science, TU Delft, Niederlande), E. Radkevich (Staatliche Universität Moskau, Russland)

Beschreibung der Forschungsarbeit:

Im Jahr 1997 wurde in Dreyer/Müller ([1]) ein Phasenfeldmodell  vom Cahn-Hilliard-Typ  aufgestellt, welches die Entstehung und das Wachstum von Ausscheidungen in binären Legierungen unter Einfluss lokaler Eigenspannungsfelder und bei anisotropen Phasengrenzflächen  beschreiben kann. Im Berichtszeitraum sind mit diesem Modell für Zinn-Blei-Lote  die folgenden Untersuchungen durchgeführt worden:

1.
In Zusammenarbeit mit W. H. Müller sind mit AMF-Technik die Bewegungen von Phasengrenzflächen verfolgt und mit Simulationen verglichen worden, [2].
2.
Der mechanische Teil des Modells beinhaltet die Berechnung einer Neumann'schen Reihe. Hierzu wurde eine Konvergenzstudie in Abhängigkeit der unterschiedlichen elastischen Konstanten der beiden Phasen durchgeführt, [3].
3.
In Zusammenarbeit mit E. Radkevich haben wir begonnen, den scharfen Grenzflächenlimes zu untersuchen. Ein erstes bedeutsames Resultat zeigt, dass die beiden Konzentrationen längs einer Phasengrenze nicht aus der klassischen Maxwell-Konstruktion gewonnen werden können. Stattdessen wurde eine Verallgemeinerung angegeben, welche zeigt, dass die Konzentrationen längs einer Phasengrenze von deren Normalenvektor abhängen. Dies ist auf die anisotropen Grenzflächenkoeffizienten zurückzuführen. Darüber hinaus gibt die verallgemeinerte Maxwell-Konstruktion Bedingungen an die Grenzflächenkoeffizienten an, so dass überhaupt Lösungen des Phasenfeldsystems  existieren.

Im Rahmen eines geförderten Projekts beschäftigt sich zurzeit eine zweite Forschungsrichtung in Zusammenarbeit mit der Freiberger Compound Materials GmbH (FCM) mit einer neuen Problemstellung, wodurch erhebliche Erweiterungen des bisher verwendeten Phasenfeldmodells notwendig werden.

Die FCM führt mit gezüchtetem einkristallinen Gallium-Arsenid  (GaAs) eine komplexe Wärmebehandlung durch, um eine hohe elektrische Homogenität des Einkristalls auf der mesoskopischen Skala zu erzielen. Hierbei kommt es zu unerwünschten Ausscheidungen von flüssigem Arsen (As). Hinweise und Maßnahmen zur Vermeidung dieses Vorgangs sollen aus einer vollständigen Simulation der Entstehung, des Wachstums und der Auflösung von Arsen-Ausscheidungen  gewonnen werden. Hierzu sind im Jahr 2000 umfangreiche Voruntersuchungen gemacht worden, die in ein vom BMBF gefördertes Vorhaben einmünden.

\minipage{0.4\textwidth}\begin{figure}

\ProjektEPSbildNocap {\textwidth}{fig00-7-3.ps}
\end{figure}\endminipageKristallines Gallium-Arsenid  besteht in der stöchiometrischen Zusammensetzung aus zwei kubisch flächenzentrierten Untergittern, die längs der Raumdiagonalen gegeneinander verschoben sind. Die nebenstehende Abbildung zeigt einen Ausschnitt in der Nähe der stöchiometrischen Zusammensetzung. Das umrandete Gebiet H kennzeichnet ein Homogenitätsgebiet, wo das überschüssige Arsen nicht in Form von Ausscheidungen vorliegt, die einer Behandlung mit dem vorhandenen Phasenfeldmodell  zugänglich sind. Vielmehr ist das überschüssige Arsen hier homogen verteilt auf Zwischengitterplätzen und auf Leerstellen im Gallium-Gitter. In der ersten Simulationsphase betrachten wir Zustandsänderungen auf der eingezeichneten Geraden, die die Homogenitätsgrenze schneidet und die beiden Zustände 1 und 2 verbindet.

Wenn wir im Zustand 1 starten und uns längs der Geraden der Homogenitätsgrenze nähern, dann beginnt mit wenigen Arsen-Atomen der Prozess der Keimbildung, den wir durch Ratengleichungen vom Typ
\begin{displaymath}
\frac{\partial Z_{n}}{\partial t}=\Gamma ^{n-1\rightarrow n}...
 ...\Gamma ^{n\rightarrow n-1}Z_{n}-\Gamma
^{n\rightarrow n+1}Z_{n}\end{displaymath} (1)
beschreiben wollen. Hier gibt Zn die Zahl von Arsen-Keimen mit n Arsen-Atomen an. Die Größen $\Gamma$ sind Übergangsraten für vier mögliche Übergänge von Arsen-Atomen auf Fehlstellen in den beiden Untergittern und den bereits vorhandenen Keimen. Die Übergangsraten werden auf der atomaren Ebene modelliert.

Beim Durchschreiten der Homogenitätsgrenze wird das flüssige Arsen unmittelbar in Tropfenform vorliegen, und es kommt auf dem Weg zum Zustand 1 zur Ostwaldreifung. Dieser Prozess soll beschrieben werden durch eine kinetische Gleichung vom Fokker-Planck-Typ . Diese lautet
\begin{displaymath}
\frac{\partial f\left( t,r\right) }{\partial t}+\frac{\parti...
 ...
r\right) f\left( t,r\right) }{\partial r}=P\left( t,r\right) .\end{displaymath} (2)
Die zentrale Größe ist hier die Phasendichte f, die zur Zeit t die Zahldichte von Arsen-Tropfen mit einem effektiven Radius r angibt. Die Größe $\dot{r}$ ist die Wachstumsgeschwindigkeit des Tropfenrandes, und P ist die Produktionsdichte von Tropfen. Beide Größen gewinnen wir aus den Ratengleichungen durch Skalierung und Renormierung.

Wenn die Tropfen im Laufe der weiteren Entwicklung eine gewisse Größe erreicht haben, so dass sich benachbarte Tropfen spüren, dann treten mechanische Spannungsfelder auf, und wir ersetzen die kinetische Ebene der Beschreibung durch die mesoskopische Ebene des am WIAS entwickelten Phasenfeldmodells, welches an anderen Stellen bereits hinreichend beschrieben wurde.

Projektliteratur:

  1. W. DREYER, W. H. MÜLLER, A study of the coarsening in tin/lead solders, Internat. J. Solids Structures, 37 (2000), No. 28, pp. 3841-3871.
  2. \dito 
, Modeling diffusional coarsening in microelectronic solders, in: Electronic Packaging Technology Conference 2000, pp. 1433-1458.
  3. \dito 
, Discrete Fourier transforms and their application to stress-strain problems in composite mechanics: A convergence study, eingereicht.


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4/30/2001