Kooperation: M. Pulvirenti (Università di Roma ,,La Sapienza``, Rom), S. Rjasanow (Universität des Saarlandes, Saarbrücken), T. Schreiber (Universität Kaiserslautern)
Beschreibung der Forschungsarbeit: In wichtigen Anwendungsbereichen wie Raumfahrt oder Vakuumtechnologie erfolgt die mathematische Beschreibung der zugrundeliegenden physikalischen Prozesse mittels hochdimensionaler und in der Regel nichtlinearer Integrodifferentialgleichungen. Ein typisches Beispiel einer solchen Gleichung, die Boltzmann-Gleichung aus der kinetischen Gastheorie, besitzt die Form
mit
Hier beschreibt die Funktion f(t,x,v) die Konzentration von Teilchen mit der Geschwindigkeit v am Ort x zur Zeit Die Gleichung (1) besitzt eine quadratische Nichtlinearität, die sich aus der paarweisen elementaren Wechselwirkung ergibt. Diese besteht darin, daß bei der ,,Kollision`` zweier Teilchen sich ihre Geschwindigkeiten entsprechend (2) ändern, wobei die Einheitssphäre ist und B der Kollisionskern genannt wird.
Auf Grund der hohen Dimension (f ist eine Funktion von sieben Veränderlichen) spielen stochastische Teilchensysteme nicht nur bei der theoretischen Fundierung, sondern insbesondere bei der numerischen Behandlung der Gleichung (1) eine entscheidende Rolle. Stochastische Partikelverfahren beruhen auf der Modellierung eines geeigneten großen Systems von Simulationsteilchen
mit deren Hilfe das Verhalten des realen Gases approximiert wird. Hier bezeichnen und jeweils die Position und die Geschwindigkeit des i-ten Teilchens zur Zeit Bei der numerischen Behandlung kinetischer Gleichungen mittels stochastischer Partikelverfahren treten Fluktuationen auf, d. h. die zu berechnenden Werte werden durch zufällige Schwankungen überlagert. Deshalb besteht in vielen Anwendungsbereichen, wie z. B. bei der Berechnung makroskopischer Größen hinter einem umströmten Körper, ein wichtiges Problem in der Konstruktion von Verfahren mit reduzierten Fluktuationen.
Für die Boltzmann-Gleichung (1) wurde in den Arbeiten [1], [2] ein neuer Zugang zu diesem Problem der Varianzreduktion entwickelt. Er basiert auf der Benutzung eines Systems von Teilchen mit variablen Gewichten, wobei die elementare Wechselwirkung in der Abspaltung von neuen Teilchen mit entsprechend (2) gewählten Geschwindigkeiten besteht und somit auch die Teilchenanzahl variabel ist. Der neue Algorithmus beinhaltet das klassische DSMC-Verfahren (,,direct simulation Monte Carlo``) als Spezialfall und ermöglicht eine künstliche Steuerung des Teilchenstromes und somit eine gezielte Beeinflussung der Varianz in bestimmten Bereichen des Rechengebiets.
In der Arbeit [3] wurden verschiedene Algorithmen zur Reduktion der Teilchenanzahl untersucht. Diese Methoden erlauben es, die relevanten makroskopischen Momente (mittlere Geschwindigkeit, Temperatur, Wärmefluß) zu erhalten. Es wurden einerseits verschiedene theoretische Abschätzungen des Approximationsfehlers, d. h. des Abstandes zwischen ursprünglichem und reduziertem Systems, angegeben. Andererseits wurde anhand numerischer Testrechnungen gezeigt, daß die Reduktionsalgorithmen auch bei häufiger Anwendung keinen negativen Effekt auf die Qualität der numerischen Lösung haben.
Eine weitere wichtige Komponente der stochastischen Partikelverfahren für die Boltzmann-Gleichung ist der sogenannte Zeitzählmechanismus, durch welchen die auf einem gegebenen Zeitintervall notwendige Anzahl von Kollisionen bestimmt wird. In der Arbeit [4] wurden für das DSMC-Verfahren verschiedene neue Zeitzählmechanismen entwickelt und numerisch getestet. Sie bewirken eine stabilere Arbeit des Verfahrens in Situationen, in denen sogenannte ,,seltene`` Ereignisse (z. B. ein einzelnes Teilchen mit sehr hoher Geschwindigkeit) eine Rolle spielen. Insofern ordnen sich auch diese Ergebnisse in das oben beschriebene Problem der Varianzreduktion ein.
Projektliteratur: