next up previous contents index
Next: Behandlung von Problemen der Bruchmechanik und Up: Projektbeschreibungen Previous: Direkte und inverse Probleme für diffraktive

Subsections

Optimierung integrierter Kolonnensysteme unter stochastischen Echtzeitbedingungen

Bearbeiter: R. Henrion , A. Möller  

Kooperation: P. Li (TU Berlin), W. Römisch (HU Berlin), G. Wozny (TU Berlin), J. Mayer (ETH Zürich), M. Steinbach (ZIB Berlin), P. Szantai (TU Budapest)

Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm ,,Echtzeitoptimierung großer Systeme``

Beschreibung der Forschungsarbeit:

1.

Gegenstand des Projekts (Beginn: 01.10.1997) ist die Optimierung integrierter Kolonnensysteme unter stochastischen Echtzeitbedingungen. Das Ziel besteht in der Ermittlung einer online zu bestimmenden robusten, optimalen Führungsstrategie. Aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen ist die Senkung des Energieverbrauchs von thermischen Destillationsprozessen in der chemischen Industrie erforderlich. Durch Verwendung energetisch gekoppelter Destillationskolonnen läßt sich der Energiebedarf bereits wesentlich reduzieren, doch ist dies mit einer schwierigeren Steuerung, Regelung und Optimierung der Prozesse verbunden. Der konventionelle Betrieb integrierter Kolonnensysteme basiert auf der vorherigen Auslegung für einen konstanten Betriebspunkt. In der Realität ändern sich jedoch die Randbedingungen, so daß die Prozesse am vorgegebenen Betriebspunkt energetisch nicht optimal betrieben werden können. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Echtzeit-Optimierung unter Berücksichtigung der sich ändernden Randbedingungen. Der sowohl nach Menge als auch Zusammensetzung stochastisch variierende Feed des Prozesses besitzt wesentlichen Einfluß auf die Einhaltung der geforderten Produktspezifikationen. In dieser Arbeit wird der bisher in der Literatur nicht betrachtete Fall einer Feedänderung von 2t/h bis 6t/h und einer Änderung der Feedkonzentration von ca. 3% Methanol (Strahlerwässer) auf 35-40% Methanol (Produkte aus Veresterungsprozessen) untersucht. Es muß ein Vollastbetrieb mit hohen Lasten (6t/h) und unterschiedlichen Eingangskonzentrationen ebenso wie z. B. am Wochenende Teillast (2t/h) zum Warmhalten der Kolonnen realisiert werden können. Hier liegt die besondere wissenschaftliche Herausforderung bezüglich der Echtzeit-Optimierung des Energieverbrauchs bei gleichzeitiger Einhaltung aller Produktanforderungen und der gegebenen Anlagenbegrenzungen. In Abbildung 1 ist ein im Rahmen der Vorarbeiten aufgenommener Konzentrations- und Feedmengenverlauf einer typischen Produktionsanlage ohne energetische Kopplung für den Zeitraum von 24 Stunden exemplarisch dargestellt.

  \Projektbild {9.53cm}{fb97_4_hen1.eps}{Verlauf von Feedstrom ($F$) und -konzentration ($z_F$)
einer industriellen Anlage
}

2.

Das dem zu untersuchenden Prozeß zugrundeliegende dynamische Modell wird durch ein semi-explizites differentiell-algebraisches Gleichungssystem beschrieben. Die Besonderheit des hier gewählten Zugangs besteht darin, daß die herkömmlich deterministisch formulierten Nebenbedingungen für die Produktspezifikationen und die Realisierung einer Mindestfeedmenge im Tank als Wahrscheinlichkeitsrestriktionen aufgefaßt werden, um deren stochastische Abhängigkeit vom Feed mit dem Ziel der Ermittlung einer robusten Strategie zu berücksichtigen. Die Produktspezifikationen lassen sich in der Form

\begin{displaymath}
h_1(x_{u,\xi}(t))\geq\alpha_1,\quad \forall t\in [t_0,t_1]\end{displaymath}

schreiben, wobei $x_{u,\xi}$ die von der Steuerung u und der zufälligen Zusammensetzung $\xi$ des Feeds abhängige Konzentration der interessierenden Komponente und h1 eine gewisse Funktion dieser Konzentration ist.

Die Realisierung einer Mindestmenge im Tank, wodurch insbesondere am Wochenende das Warmhalten der Kolonnen abzusichern ist, kann als

\begin{displaymath}
h_2(u(t),\eta (t))\geq\alpha_2,\quad\forall t\in [t_0,t_1]\end{displaymath}

dargestellt werden. Hier ist h2 eine Funktion der Steuerung sowie der zufälligen Feedmenge $\eta$, die dem Tank zufließt. Eine Möglichkeit, die beiden Nebenbedingungen als Wahrscheinlichkeitsrestriktionen zu formulieren, ergibt sich aus

\begin{eqnarray*}
P^\xi (h_1(x_{u,\xi}(t))\geq\alpha_1\,\,\forall t\in [t_0,t_1]...
 ...2(u(t),\eta (t))\geq\alpha_2\,\,\forall t\in [t_0,t_1])&\geq&p_2.\end{eqnarray*}

Eine andere Variante besteht in der Aufstellung punktweiser Wahrscheinlichkeitsrestriktionen der Gestalt

\begin{eqnarray*}
P^\xi (h_1(x_{u,\xi}(t))\geq\alpha_1)&\geq&p_1,\quad\forall t\...
 ...u(t),\eta (t))\geq\alpha_2)&\geq&p_2,\quad\forall t\in [t_0,t_1].\end{eqnarray*}

Bei Verwendung dieser zweiten Variante läßt sich das zu analysierende stochastische Optimierungsproblem zusammenfassend folgendermaßen formulieren:

\begin{eqnarray*}
J(u)\Longrightarrow {\rm Min}&&{\rm bei}\ x_{u,\xi}'(t)&=&f(x...
 ...t),\eta (t)))\geq\alpha_2&\geq&p_2\;,\quad\forall t\in [t_0,t_1].\end{eqnarray*}

Hierbei ist J ein Energiefunktional, und g beschreibt den algebraischen Zusammenhang der Zustandsgrößen.

3.

Für die Behandlung der Wahrscheinlichkeitsrestriktionen innerhalb des Optimierungsproblems ist die nähere Analyse der stochastischen Prozesse $\xi$ und $\eta$ erforderlich. Hierbei soll die Gültigkeit geeigneter Annahmen geprüft werden, die diese Nebenbedingungen einer numerischen Realisierung zugänglich machen. Zunächst soll vorausgesetzt werden, daß es sich bei $\xi$ und $\eta$ um Gaußsche Prozesse handelt. Später werden auch Markov-Prozeß-Eigenschaften untersucht. Zur Einbindung in die Realisierung der Lösung des Optimierungsproblems mittels SQP-Verfahren sind sowohl analytisch gewonnene Informationen [5] über die Werte und die Ableitung der die Wahrscheinlichkeitsrestriktion beschreibenden Abbildung nach der Steuervariablen u als auch die Berechnung von Schranken mittels Monte-Carlo-Methoden von Bedeutung [4]. Zur Charakterisierung des stochastischen Modells und eventuell auch zu seiner Optimierung ist die Simulation des stochastischen Feed-Prozesses notwendig [1]. Das hochdimensionale Steuerungsproblem soll durch Anwendung direkter Kollokations- oder Schießverfahren zur Diskretisierung in Verbindung mit strukturorientierten SQP-Verfahren gelöst werden. Hierzu ist durch eingehendere Modellanalyse zu prüfen, welche der in der Literatur beschriebenen modernen Methoden sowie welche verfügbare effiziente Software [2,3] im vorliegenden Fall am besten dem Echtzeitcharakter der Problematik entsprechen.

Projektliteratur:

  1.   U. M. DIWEKAR, J. R. KALAGNANAM, Efficient sampling technique for optimization under uncertainty, AIChE J., 43 (1997), pp. 440-447.
  2.   P. E. GILL, W. MURRAY, M. A. SAUNDERS, Large scale SQP methods and their application in trajectory optimization, in: Computational Optimal Control (R. Bulirsch, D.  Kraft, eds.), Birkhäuser, Basel, 1994, pp. 29-42.
  3.   M. HEINKENSCHLOSS, Projected Sequential Quadratic Programming Methods, SIAM J. Optim., 6 (1996), pp. 373-417.
  4.   A. PRéKOPA, Sharp bounds on probabilities using linear programming, Oper. Res., 38 (1990), pp. 227-239.
  5.   S. URYASEV, Derivatives of probability functions and some applications, Ann. Oper. Res., 56 (1995), pp. 287-311.

next up previous contents index
Next: Behandlung von Problemen der Bruchmechanik und Up: Projektbeschreibungen Previous: Direkte und inverse Probleme für diffraktive
LaTeX typesetting by I. Bremer
1/18/1999