Bearbeiter: A. Juhl
Kooperation: S. Patterson, U. Bunke, M. Olbrich (Georg-August-Universität Göttingen), D. Mayer (Technische Universität Clausthal), P. Perry (University of Kentucky at Lexington), A. Deitmar (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
Beschreibung der Forschungsarbeit:
Das Ziel dieses Projektes ist die Untersuchung der Dynamik des geodätischen Flusses Riemannscher Mannigfaltigkeiten negativer Krümmung. Der geodätische Fluß dieser Mannigfaltigkeiten ist ein Modell der hyperbolischen Hamiltonschen Dynamik. Die hier betrachteten Systeme sind stark chaotisch. Die diesen Dynamiken zugeordneten Zeta-Funktionen sind eng mit den verschiedenen Aspekten der chaotischen Dynamik verbunden. Im Fall des geodätischen Flusses von lokal-symmetrischen Räumen sind die Zeta-Funktionen meromorphe Funktionen einer komplexen Variablen, und das Hauptproblem der Theorie besteht in der Beschreibung ihrer Nullstellen und Polstellen. Für die Untersuchung der Zeta-Funktionen stehen die Methoden der harmonischen Analysis und der hyperbolischen Dynamik zur Verfügung, und seit Ruelle's Arbeit [5] ist es eines der herausfordernden Probleme dieses Gebietes, die Verbindungen der beiden Methoden zu verstehen. Der Unterschied zwischen den beiden Methoden sei durch die Tatsache veranschaulicht, daß im Fall des geodätischen Flusses von hyperbolischen Mannigfaltigkeiten unendlichen Volumens der Einsatz der harmonischen Analysis extrem kompliziert ist, wohingegen die Ruellesche Methode der Transfer-Operatoren vom kompakten Fall fast direkt auf den allgemeineren Fall unendlichen Volumens ausgedehnt werden kann.
Es war das Anliegen dieses Langzeitprojektes, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Zugängen zu verstehen und auf dieser Grundlage den geodätischen Fluß hyperbolischer Mannigfaltigkeiten unendlichen Volumens zu untersuchen. Der grundlegende methodische Ansatz ist hierbei der einer Kohomologie-Theorie der Zeta-Funktionen, wie sie von vorangegangenen Ergebnissen zu einer kohomologischen Theorie der Zeta-Funktionen ([3],[7]) nahegelegt wurden. Hierzu war es jedoch notwendig, die in [3] eingesetzten Methoden, die auf der Theorie der unendlich-dimensionalen Darstellungen Liescher Gruppen basieren, durch einen alternativen Zugang von differential-geometrischer/dynamischer Natur zu ersetzen. Somit war das Hauptproblem die Suche nach einer Beschreibung der Nullstellen und Polstellen der Zeta-Funktionen durch Invarianten, die der Dynamik auf dem unterliegenden Phasenraum kanonisch zugeordnet sind.
In den Jahren 1994/1995 fand der Bearbeiter eine derartige Charakterisierung im Fall der Zeta-Funktionen kompakter hyperbolischer Räume mit Hilfe von Differentialformen mit distributiven Koeffizienten (Ströme), die ein System von partiellen Differentialgleichungen erfüllen, welches kanonisch durch die unterliegende hyperbolische Hamilton-Struktur bestimmt ist. Diese Gleichungen ersetzen die Bohr-Sommerfeldschen Quantisierungs-Bedingungen im vollständig integrierbaren Fall. Weiterhin stellte es sich heraus, daß die neue Theorie der Ströme ein natürlicher Teil einer Hodge-Theorie der stabilen Blätterung des Phasenraumes ist. Obwohl diese Hodge-Theorie in vieler Hinsicht der Hodge-Theorie elliptischer Komplexe ähnelt, zeigen sich hier viele neue Erscheinungen. Insbesondere ist die technische Seite der Theorie völlig andersartig als im elliptischen Fall.
Diese Ergebnisse führten auf die Formulierung eines Systems von Vermutungen zur Beschreibung der Singularitäten der Zeta-Funktionen von hyperbolischen Mannigfaltigkeiten unendlichen Volumens. Der neue Aspekt im Fall unendlichen Volumens ist der, daß die für die Singularitäten verantwortlichen Ströme ihren Träger nur im stabilen Basin des Flusses haben.
Zu Beginn des Jahres 1996 fanden U. Bunke und M. Olbrich eine Beschreibung der Singularitäten der Zeta-Funktionen durch die Gruppen-Kohomologie von auf endlichen Keimen holomorpher Familien von Hyperfunktionen auf der Limesmenge einer Kleinschen Gruppe . Diese Beschreibung entspricht einer Vermutung von Patterson ([8],[2]). Der Beweis erforderte die Entwicklung neuer Techniken. Hierbei waren die Ergebnisse in [5] wichtig.
Diese Ergebnisse waren nun eine ideale Grundlage für einen Test der von uns entwickelten Vermutungen, und mit Hilfe einer neuen Methode zur Konstruktion invarianter Distributionen auf den Limesmengen war es möglich, die Verträglichkeit aller bisher vorliegenden Ergebnisse mit den Vermutungen zu beweisen. Damit sind nun wichtige Teile der Vermutungen bewiesen. Insbesondere ist jetzt klar, wie die Resonanzen des Laplace-Operators der hyperbolischen Mannigfaltigkeit mit Distributionen auf der Limesmenge verbunden sind und was diese mit den Strömen auf dem stabilen Basin zu tun haben. Analog dazu steht auch der topologische Teil der Singularitäten der Zeta-Funktionen mit Differentialformen auf der Limesmenge in Verbindung.
Das gesamte Material dieser Theorien und ihrer Verbindungen zu den klassischen Theorien ist in der Monographie [4] dargestellt.
Bei allem Fortschritt ist jedoch gegenwärtig z. B. die vollständige Untersuchung der Zeta-Funktion
des geodätischen Flusses einer Kleinschen Mannigfaltigkeit noch nicht möglich, da viele technische Probleme noch ungelöst sind. Die in [4] formulierten Prinzipien geben jedoch die Leitlinien für die weitere Untersuchung dieser (und anderer) Funktionen.
Projektliteratur: