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Kooperation: A. Schuppert (Bayer AG, Leverkusen), P. Capek (Institut für Chemische Technologie, Prag, Tschechische Republik), A. Kienle (Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg), G. Wozny (Institut für Prozess- und Anlagentechnik, Technische Universität Berlin)
Förderung: BMBF
Beschreibung der Forschungsarbeit:
Bei der dynamischen Prozess-Simulation von Produktionsanlagen der chemischen Industrie sind Anfangswertprobleme für große Systeme von nichtlinearen Algebro-Differentialgleichungen (DAE) numerisch zu lösen. Insbesondere bedingt durch die Verbesserung der Exaktheit der verwendeten Prozessmodelle und den steigenden Grad ihrer Integration gewinnt der Einsatz paralleler numerischer Verfahren bei der anlagenweiten Simulation immer größere Bedeutung. Die von uns in den letzten Jahren hierfür entwickelten Simulationsansätze und numerischen Verfahren nutzen die durch die Modellierung vorgegebene hierarchische Struktur der chemischen Anlagen für die Parallelisierung aus. Dabei wird das DAE-System entsprechend der Prozesseinheiten (Units) der chemischen Anlage in Teilsysteme strukturiert. Die Kopplungen zwischen den Teilsystemen sind durch die Stoff-, Wärme- und Informationsströme zwischen den Units der Anlage festgelegt. Basierend auf dieser Teilsystemstruktur werden nach Auswertung der Kopplungen die DAE-Systeme entsprechend den Erfordernissen der verwendeten numerischen Verfahren in Blöcke partitioniert.
Im Prototyp unseres dynamischen Prozess-Simulators BOP (Block Oriented Process simulator) ([1]) wird ein homogener Simulationsansatz realisiert. Dabei kommen BDF-Verfahren, blockstrukturierte Verfahren vom Newton-Typ und direkte Verfahren für lineare Gleichungssysteme mit schwach besetzten Matrizen zum Einsatz. Der Simulator ist auf Parallelrechnern mit Shared Memory vom Typ Cray J90 und SGI Origin 2000 implementiert und hat sich bei Simulationsrechnungen für komplexe industrielle Anlagen bewährt. Die Arbeiten am Prozess-Simulator BOP wurden im Berichtszeitraum fortgesetzt.
Für die blockstrukturierten Verfahren vom Newton-Typ ([5]) wurde ein Relaxationsansatz zur Lösung des Kopplungssystems untersucht. Hierbei kann u. a. die aufwendige Berechnung von Sensitivitätsmatrizen durch die Verwendung von Matrix-Vektor-Produkten ersetzt werden. Der daraus resultierende Parallelisierungsansatz ermöglicht bis auf sequentiell auszuführende Permutationsoperationen eine vollständige Parallelisierung des Verfahrens. Durch eine geeignete Transformation des Kopplungssystems kann man eine hinreichende Konvergenzbedingung ableiten, deren numerische Auswertung nur wenig Rechenzeit erfordert. Diese Bedingung lässt sich auch zur Ausnutzung der zeitlichen Inaktivität (Latenz) von Komponenten der chemischen Anlagen verwenden.
Die bei der Diskretisierung der DAE-Systeme auftretenden linearen Systeme mit schwach besetzten, unsymmetrischen, nichtstrukturierten und indefiniten Matrizen werden mit direkten Methoden behandelt. Die entwickelten Methoden wurden hinsichtlich ihrer Effektivität weiterentwickelt ([4]). Mit Arbeiten zur Entwicklung der nächsten Version des Programmpaketes GSPAR wurde begonnen.
Ausgehend von der definierten Eingabesprache zur Beschreibung chemischer Prozesse (siehe Beispielcode in Abb. 1), die eine zweistufige hierarchische Modellierung zulässt, wurde die Implementierung eines Compilers zur Erzeugung einer Schnittstelle zum Simulator BOP weitergeführt. Der Compiler erzeugt aus der Eingabebeschreibung das dazugehörige DAE-System. Hierzu muss die zweistufige Hierarchie aufgelöst und eine Zuordnung der im System enthaltenen Größen zu den Variablen und Parametern vorgenommen werden.
Im Berichtszeitraum hat sich der Simulator BOP u. a. bei der dynamischen Prozess-Simulation einer Klärschlammverbrennungsanlage der Berliner Wasserbetriebe bewährt. Die am Institut für Prozess- und Anlagentechnik der Technischen Universität Berlin modellierte Anlage führt auf ein hochgradig nichtlineares DAE-System mit mehr als 16 000 Gleichungen. Bei ihrer Simulation auf unserem Parallelrechner SGI Origin 2000 konnte im Vergleich zum kommerziellen Prozess-Simulator SPEEDUPTM (Aspen Technology Inc.) eine Reduzierung der Laufzeit für die dynamische Rechnung auf 12 % erzielt werden. Bei dieser Rechnung erfolgte eine automatische Zerlegung des Gesamtsystems in vier Blöcke, wobei jeder Block Gleichungsanteile von mehreren der insgesamt 53 Units der Anlage umfasste.
Bei einem heterogenen Simulationsansatz ([3]) kann jeder Teilprozess in einer chemischen Anlage separat modelliert und numerisch gelöst werden. Dazu ist auf kleinen Zeitintervallen ein System zeitabhängiger algebraischer Kopplungsgleichungen zu lösen. Diese Gleichungen bestimmen die Stoff- und Energieströme zwischen den Teilprozessen der Anlage. Das Fließschema des Gesamtprozesses ist dadurch gekennzeichnet, dass jede Komponente des Vektors aller Ausgangsvariablen v(t)=(v1,...,vn)T genau einer Eingangsvariablen des Vektors u(t)=(u1,...,un)T mit
zugeordnet ist, wobei die konstante Matrix P diese Zuordnung definiert. G repräsentiert die Gesamtheit aller, nur implizit gegebenen, Eingangs-Ausgangs-Abbildungen Gi der n Teilprozesse des Gesamtprozesses. Es ist
Dabei wird jede Abbildung Gi für ein Teilintervall des Simulationsbereiches [t0,tE] durch den Aufruf der zugeordneten Simulationssoftware des i-ten Teilprozesses realisiert. Jeder Teilprozess kann dabei unabhängig modelliert und numerisch gelöst werden, was auch verteilt in einem Rechnernetzwerk erfolgen kann. Hierzu wird die vom Kooperationspartner Bayer AG, Leverkusen, bereitgestellte Simulation Manager-Software eingesetzt, die eine synchronisierte Lösung der Teilprozesse auf einem Teilintervall für eine vorgegebene Diskretisierung der Eingangsvariablen ui(tj) initiiert und anschließend die diskreten Ausgangsvariablen vi(tj) zur iterativen Lösung der Kopplungsgleichungen auf dem Zeitgitter bereitstellt.
Da kommerzielle Simulatoren i. Allg. keine Ableitungsinformationen zur Verfügung stellen und Differenzenapproximationen der Jacobi-Matrix des Kopplungssystems zu aufwendig sind, wurden Quasi-Newton-Techniken betrachtet. Auf der Grundlage des klassischen Broyden-Verfahrens ergibt sich eine nicht strukturerhaltende Aufdatierungsformel
für die Sensitivitätsmatrix des Gesamtsystems. Mit werde die Störung der Eingangsvariablen während der k-ten Iteration und mit die resultierende Änderung der Ausgangsvariablen bezeichnet. Für das unten dargestellte Prozessmodell ergaben sich bei Verwendung einer Startmatrix J = I Rechenzeiteinsparungen von bis zu 50 % im Vergleich zu einer Fixpunktiteration.Eine lokale Aufdatierungsformel
erhält man, wenn die Eingangsstörung des i-ten Teilprozesses verwendet wird. Hier entstehen Sensitivitätsblöcke für die Teilprozesse und nur innerhalb der Blöcke geht die Besetztheitsstruktur verloren.Ein nichtisothermes dynamisches Prozessmodell (siehe S. , Abb. 2) zur Herstellung von 1,2-Dichlorethen wurde erarbeitet, das zerlegt in drei Teilprozesse (Reaktor, Wärmetauscher, Trennstufe) als Testmodell dient. Die Teilprozesse werden dabei unabhängig voneinander mit Hilfe des kommerziellen Simulators SPEEDUP gelöst und über den Simulation Manager gekoppelt.
Projektliteratur:
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