Bearbeiter: R. Hünlich, A. Glitzky
Kooperation: W. Röpke, Institut für Halbleiterphysik Frankfurt (Oder) GmbH,
N. Strecker, Institut für Integrierte Systeme, ETH Zürich
Förderung: BMBF-Förderprogramm ,,Anwendungsorientierte Verbundprojekte auf dem Gebiet der Mathematik``
Beschreibung der Forschungsarbeit:
Innerhalb dieses Projektes werden Probleme der Modellierung und Simulation aus der Halbleitertechnologie sowie deren analytische und numerische Hinterfragung und Begründung behandelt. Einige dafür typische Fragestellungen, die bei der Entwicklung von speziellen Halbleiterbauelementen, den SiGe-Heterojunction-Bipolartransistoren, auftreten, schildern und diskutieren wir in den Beiträgen [1] und [6]. Als problematisch erweist sich zum Beispiel die Beschreibung der Umverteilung von Fremdatomen, wenn Profile elektrisch geladener Dotanden mit sehr hohen Konzentrationen sehr eng benachbart sind. Zur Klärung auftretender kooperativer Effekte -- etwa einer ambipolaren Diffusion -- wurden am Institut für Halbleiterphysik Frankfurt (Oder) gezielt Experimente durchgeführt. Simulationen und vergleichende Untersuchungen der elektrischen Wechselwirkung von Arsen, Bor und Phosphor in Silizium zu diesen Messungen haben wir im Forschungsbericht [7] dokumentiert. Auf die analytische Behandlung derartiger Fragestellungen soll im folgenden ausführlicher eingegangen werden.
Die Einbeziehung der elektrischen Wechselwirkung durch das innere elektrische 
Feld in die Modellierung der Diffusion von Fremdatomen in 
Halbleiterstrukturen führt auf Elektro-Reaktions-Diffusionsgleichungen
mit nichtglatten Daten, die hier in einem allgemeineren Kontext untersucht 
werden.
Wir bezeichnen mit 
, 
, 
, die Konzentration und das 
elektrochemische Potential der i-ten Spezies. Das zu untersuchende 
Differentialgleichungssystem besteht aus m Kontinuitätsgleichungen 
gekoppelt mit der linearen Poissongleichung für das elektrostatische 
Potential 
:

Randbedingungen für die Poissongleichung werden später spezifiziert.
Dabei sind 
 bzw. 
 die Reaktionsraten im Volumen bzw. am 
Rand, die ausgehend vom Massenwirkungsgesetz in der Form 

angesetzt werden. Hierbei bezeichnen 
 und 
 die 
stöchiometrischen Vektoren der entsprechenden Reaktionen. Für den 
Zusammenhang zwischen Konzentrationen und Potentialen wird im betrachteten 
Modell die Boltzmann-Statistik angenommen. Die 
Diffusionskoeffizienten 
, die Dielektrizitätskonstante 
 und die Reaktionskonstanten 
 sind wegen der Heterostruktur in nichtglatter Weise 
ortsabhängig, die kinetischen 
Koeffizienten werden in der Regel noch vom Zustand selbst abhängen.
Zunächst wurden im räumlich zweidimensionalen Fall und bei Randbedingungen dritter Art für die Poissongleichung die thermodynamische Korrektheit des Modells, insbesondere aber auch eine Abschätzung der freien Energie durch die Energiedissipationsrate und das exponentielle Fallen der freien Energie entlang von Trajektorien des Systems gezeigt (siehe [2], [4]). Für Reaktionen der maximalen Ordnung 2 im Volumen bzw. 1 auf dem Rand erhält man außerdem die eindeutige Lösbarkeit und globale a priori-Abschätzungen (vgl. [3]).
Die Tatsache, daß die Poissongleichung für viele relevante Probleme aus der 
Halbleitertechnologie singulär gestört ist, erfordert jedoch Vorsicht 
bei der Auswahl der Randbedingungen für 
. 
Unsere Testsimulationen zeigten dabei deutlich, daß die teilweise 
Einbeziehung von 
Dirichlet'schen Randbedingungen nötig ist, um Grenzschichtphänomene zu 
vermeiden. Insbesondere steht die Aufgabe, das Differentialgleichungssystem 
(1) -- (3) auch unter gemischten Randbedingungen für die 
Poissongleichung zu behandeln.
Die vorgestellte Aufgabe kann in vielen Anwendungen zumindest 
näherungsweise vereinfacht werden, wenn die Temperatur wie 
bei der Halbleitertechnologie-Modellierung hoch ist. Dann sind die kinetischen 
Koeffizienten 
der freien Ladungsträger im Vergleich zu denen anderer Spezies so groß, daß 
man die Elektronen-Löcher-Generation-Rekombination als im Gleichgewicht 
befindlich betrachten, ihre Dichten aus dem Statistikansatz, das 
elektrostatische Potential aus der dann nichtlinearen Poissongleichung 
berechnen und die Kontinuitätsgleichungen für Elektronen und Löcher 
weglassen kann. Damit für solch ein Modell die globale Ladung 
erhalten bleibt, muß die Poissongleichung dann einen zusätzlichen 
nichtlokalen Term 
 enthalten.
Wir beschreiben nun kurz neue Resultate, die wir für das Differentialgleichungssystem (1), (2) mit der jetzt möglicherweise nichtlinearen, nichtlokalen Poissongleichung mit gemischten Randbedingungen
gewonnen haben (vgl. [5]).
Für eine geeignete schwache Formulierung (P) von (1), (2), 
4 existiert innerhalb einer Kompatibilitätsklasse, die durch 
den Anfangswert festgelegt wird, genau ein stationärer Zustand. 
Unter der Voraussetzung, daß 
 und daß Volumen- bzw. 
Randquellterme in den 
Kontinuitätsgleichungen maximal zweiter bzw. erster Ordnung sind,
besitzt das
instationäre Problem genau eine Lösung. Entlang dieser fällt die 
freie Energie

monoton. Aussagen zur Beschränktheit und 
Regularität von Lösungen elliptischer 
Gleichungen mit gemischten Randbedingungen 
liefern bei geeigneten Annahmen über 
 und 
 
globale 
-Schranken für 
und eine höhere Integrierbarkeit für 
. 
Die Lösbarkeit von (P) folgt aus Existenzaussagen für ein 
regularisiertes Problem auf endlichen Zeitintervallen, die über 
Zeitdiskretisierung und einen Auswahlsatz
gewonnen werden.
Wir finden Schranken für die Lösungen der regularisierten Aufgabe, die 
nicht vom Regularisierungslevel abhängen,
so daß diese Lösungen bei hinreichend großem Abschneidelevel gleichzeitig 
Lösungen von (P) sind. Diese a priori-Schranken erhält man nach gewissen 
Anlaufschritten über Moseriteration. Die Abschätzungen 
nach oben sind unabhängig von der Länge des Zeitintervalls und übertragen 
sich daher global auf die Lösungen von (P). Um globale positive untere 
Schranken für die Konzentrationen zu erhalten, zeigen wir zunächst ähnlich 
dem Vorgehen in [2], [4], daß sich unter gewissen 
Voraussetzungen an das Reaktionssystem, die für die Probleme aus der 
Halbleitertechnologie auch erfüllt sind, die freie Energie nach oben durch die 
Dissipationsrate abschätzen läßt. Folglich fällt die freie Energie entlang 
der Lösung exponentiell auf ihren Gleichgewichtswert, und die Größen
 und 
 sind über 
 und
 integrabel, wobei 
 und 
 Komponenten der 
stationären Lösung sind. Man findet so eine globale Schranke
für die 
-Norm der chemischen Potentiale, die mittels Moseriteration auf 
eine
positive untere Schranke für die Konzentrationen führt (siehe [5]).
Die globalen Abschätzungen für die Lösung von (P) und das exponentielle 
Fallen der freien Energie ergeben 
die stärkeren asymptotischen Aussagen, daß
sich die Konzentrationen und chemischen Potentiale in jeder 
-Norm 
exponentiell ihren Gleichgewichten nähern.
Projektliteratur:
,    
  Energetic estimates and asymptotics for
  electro-reaction-diffusion systems, erscheint in: Z. Angew. Math.
  Mech.
,   
Global estimates and asymptotics for 
electro-reaction-diffusion systems in heterostructures, 
  in Vorbereitung.