Bearbeiter: J. Borchardt, F. Grund, D. Horn, T. Michael, H. Sandmann
Kooperation: L. Brüll (Bayer AG Leverkusen), R. Zeller (CRAY Research GmbH München)
Beschreibung der Forschungsarbeit:
Die mathematische Modellierung verfahrenstechnischer Prozesse in der chemischen Industrie, beispielsweise bei der Simulation der chemischen und physikalischen Prozesse in wärme-- und flußverkoppelten Destillationskolonnen, führt auf Anfangswertprobleme für große Systeme von Algebro--Differentialgleichungen (DAE). Diese DAE--Systeme umfassen mehrere 10 000 Gleichungen und sind entsprechend dem Aufbau der Anlage aus Teilanlagen hierarchisch in Teilsysteme strukturiert.
Ziel der Forschungsarbeit ist die Entwicklung von numerischen Verfahren, die eine Lösung solcher DAE--Systeme unter Ausnutzung ihrer Teilsystemstruktur gestatten. Die Algorithmen werden unter dem Gesichtspunkt ihrer Implementation auf einem Parallelrechner entwickelt.
Die Parallelisierung der Verfahren wird auf dem Niveau
Auf dem Niveau der Differentialgleichungen wurde der Prototyp eines Block-Waveform-Relaxationsverfahrens implementiert. Damit ist es möglich, für den Relaxationsprozeß einzelne Teilgleichungssysteme zu Blöcken zusammenzufassen und über diesen Blöcken eine Jacobi-- bzw. eine Gauß--Seidel--artige Iteration durchzuführen. Dieses Vorgehen setzt die Bestimmung einer geeigneten Partitionierung des Gesamtsystems in Blöcke voraus. Dazu ist zuerst eine hinsichtlich der Zustandsvariablen konsistente Zuordnung der Variablen zu den Gleichungen zu bestimmen, um dann auf der Grundlage dieser Zuordnung stark gekoppelte Teilsysteme zu Blöcken zusammenfassen zu können. Für dieses Zuordnungs-- und Blockbildungsproblem wurden verschiedene Algorithmen entwickelt und getestet. Für ein relevantes Beispiel aus der chemischen Verfahrenstechnik ließen sich Zuordnungen und Blockbildungen bestimmen, so daß das entsprechende Anfangswertproblem auf sequentiellen Rechnern (CRAY YMP) mit dem Block--Relaxationsverfahren gelöst werden konnte.
Zur Lösung der Anfangswertprobleme sind modell--relevante Arbeitspunkte als Anfangswerte zu ermitteln. Diese müssen auf der durch bestimmten Lösungsmannigfaltigkeit zu einem geeigneten Parametersatz berechnet werden. Hierzu sind oft und schnell Lösungen des durch das DAE--System gegebenen nichtlinearen Gleichungssystems zu ermitteln. Eingesetzt werden modifizierte Gauß--Seidel--Newton--Verfahren auf der Ebene des Gesamtsystems und der Teilsysteme. In einem ersten Schritt wurde ein numerisches Verfahren auf einer CRAY T3D realisiert. Hierbei wird die modellbedingte Struktur des DAE--Systems durch message--passing Programmierung ausgenutzt, wodurch eine starke Beschleunigung der Lösungsprozesse erreicht wird.
Bei den linearen Gleichungen wird, da die Matrizen sparsam besetzt sind, mit Sparse--Matrix--Techniken gearbeitet. Es werden direkte Verfahren benutzt, die auf die Problematik angepaßt werden. Für die Faktorisierung und die Vor-- und Rückwärtsrechnung werden Pseudocodes entweder für Vektor-- oder für Parallelrechner generiert. Bei den Parallelrechnern wird eine CRAY T3D verwendet und der Code auf die einzelnen Prozessoren verteilt und abgearbeitet. Hierbei sind geeignete Synchronisierungen durchzuführen.
Für die Testung der entwickelten Verfahren an realistischen Beispielen der chemischen Verfahrenstechnik wurde eine Schnittstelle für den DAE--Solver geschaffen. Sie beschreibt u.a. die Struktur des zu lösenden DAE--Systems und wie die teilsystembezogene Berechnung der Funktionswerte und der Elemente der Jacobimatrix zu erfolgen hat.
Es wurde ein Programm zur automatischen Erzeugung der Informationen dieser Schnittstelle implementiert. Die Ausgangsinformationen liefert der in der chemischen Verfahrenstechnik verwendete Simulator SPEEDUP (Aspen Technology, Inc., Cambridge, Massachusetts), in dessen Eingabesprache die Gleichungen und die für die Simulation der verfahrenstechnischen Prozesse erforderlichen Angaben gegeben sind. Eventuell offene Parameter werden mit Hilfe eines Dialogs abgefragt.
Die Verfahren für die linearen Gleichungen wurden in den Simulator SPEEDUP eingebaut und an realistischen Beispielen der chemischen Verfahrenstechnik mit einem Vektorrechner CRAY YMP erfolgreich getestet. Förderung: BMBF-Förderprogramm Anwendungsorientierte Verbundvorhaben auf dem Gebiet der Mathematik