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Reaktions--Diffusionsgleichungen in Mehrphasensystemen mit Anwendungen in der Halbleitertechnologie

Bearbeiter: R. Hünlich, A. Glitzky, W. Röpke

Kooperation: Institut für Halbleiterphysik Frankfurt/Oder GmbH (IHP; Verbundpartner);
Institut für Integrierte Systeme, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (IIS)

Beschreibung der Forschungsarbeit:

Bei der Herstellung von Halbleiterbauelementen läuft eine große Zahl physikalischer und chemischer Prozesse ab, deren sichere technologische Beherrschung den Einsatz von Simulationsprogrammen notwendig macht. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Modellierung und der Simulation des Transports von Fremdatomen und Punktdefekten in Halbleitern und Halbleiter--Isolatorstrukturen zu. Ausgehend von verschiedenen, durchaus nicht völlig abgesicherten Modellvorstellungen über die kinetischen Prozesse in den einzelnen Materialien und auf den Grenzflächen zwischen diesen Materialien lassen sich diese Transportprozesse durch Reaktions-Diffusionsgleichungen in Mehrphasensystemen mit nichtglatten Daten beschreiben, deren analytische und numerische Behandlung bisher nur in ersten Ansätzen vorliegt. Ziel des Projekts ist es, in Zusammenarbeit mit dem Verbundpartner relevante Modellgleichungen auszuwählen, deren analytische und numerische Behandlung weiter voranzubringen und die erzielten Ergebnisse für eine zuverlässige und effiziente Simulation einsetzbar zu machen.

Die im Jahr 1994, dem ersten Jahr der Projektlaufzeit, erzielten Ergebnisse werden in den beiden folgenden Abschnitten erläutert.

Fremdteilchendiffusion in Silizium und anderen Materialien der Siliziumplanartechnik

Mittels der Datenbank Inspec/Physics (1989--1994) wurde ein relativ vollständiger Literaturfundus zur oben genannten Problematik erstellt. Die Literaturauswertung zeigt, daß die derzeitigen physikalischen Modelle zur Teilchendiffusion in Silizium in der Regel den Transportvorgang bis zu den einzelnen atomaren Vorgängen auflösen. Dabei gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, die oft auch heuristischen Charakter tragen.

Ein Ziel dieses Projektes ist es zu versuchen, in dieser Vielfalt von Modellen systematisch vorzugehen, mit der Hoffnung, Aussagen darüber zu gewinnen, welche Komplexität der Betrachtungsweise eigentlich notwendig ist. Bisherige Überlegungen führten hier zu einem Basismodell für die Behandlung von mehreren Dotanden bei nicht zu hohen Konzentrationen.

Es ist unbedingt nötig, diese Vorstellungen durch gezielte Experimente zu überprüfen. In der modernen Literatur betreffen diese vorrangig die Wechselwirkung mit den Eigenpunktdefekten des Siliziums. Da aber auch die Ladungseffekte erheblich die Gestalt der Modelle bestimmen, sind Versuche zur Abschätzung des Einflusses des inneren elektrischen Feldes durchgeführt worden.

Eine weitere wichtige Aufgabe des Projektes ist es, die sich aus den aktuellen Forschungsproblemen beim Verbundpartner ergebenden Anforderungen an die Simulation der relevanten technologischen Prozeßschritte zu unterstützen. Um hier kurzfristig zu Lösungen zu kommen, müssen Modelle auf i. d. R. mittlerer Modelltiefe erarbeitet und experimentell verifiziert werden. In dieser Weise wurde die Bordiffusion in SiGe-Schichten behandelt, die ein bedeutendes Problem bei der Präparation von SiGe-Heterobipolartransistoren (SiGe-HBT) darstellt. Die SiGe-HBT-Forschung bildet einen Schwerpunkt am IHP (Verbundprojekt LOTUS mit Daimler/Benz Ulm, Ruhr-Universität Bochum, RWTH Aachen) und wird weltweit forciert, da diese Transistoren moderne Forderungen der Mikroelektronik erfüllen (Nutzung höher gelegener Frequenzbänder, hohe Bitrate, geringes Rauschen) und gut in die sicher beherrschte Si-Technik integrierbar sind. Die eigenen Rechnungen zum HBT-Gesamtprozeß wurden mit dem 2D-Simulator DIOS (IIS) durchgeführt (siehe Abb. 1), der z. Z. nur eine vereinfachte Behandlung der Dotandendiffusion in SiGe-Schichten zulä. Deshalb wurde das Modell aus [1], das den Verspannungseffekt direkt berücksichtigt, in etwas modifizierter Form in einen 1D-Simulator implementiert. Durch Vergleich von Simulationsrechnungen mit am IHP gewonnenen experimentellen Ergebnissen konnten die Modellparameter angepaßt werden (siehe Abb. 2). Am IIS ist beabsichtigt, dieses verifizierte Modell in DIOS einzubauen.

Zur Analysis und Numerik von Reaktions--Diffusionsgleichungen aus der Halbleitertechnologie

Ausgangspunkt für die analytischen und numerischen Untersuchungen bildete ein Modell, bei dem nur eine Sorte von geladenen Fremdatomen auftritt, zugleich aber die Diffusion der Punktdefekte sowie verschiedene Reaktionen zwischen diesen und den Fremdatomen im Innern des Halbleiters und auf dem Rande Berücksichtigung finden (siehe z.B. [5, 6]). Die Modellgleichungen (Kontinuitätsgleichungen für substantielle und interstitielle Fremdatome, für interstitielle Wirtsatome und Vakanzen, für Elektronen und Löcher, Poissongleichung für das elektrostatische Potential) reduzieren sich unter Gleichgewichtsannahmen für die Elektronen und Löcher und unter der Annahme der lokalen Elektroneutralität auf ein System schwach gekoppelter Reaktions--Diffusionsgleichungen mit einem nichtlinaren Diffusionskoeffizienten und mit nichtlinearen Reaktionstermen im Innern und auf dem Rande.

Wichtig für weitere Untersuchungen erweist sich die Annahme, daß das entsprechende Reaktionssystem genau ein Gleichgewicht besitzt, wobei die Gleichgewichtskonzentrationen positiv sind. Es wurden notwendige und hinreichende Bedingungen für die Gültigkeit dieser Annahme gefunden, die bei dem hier betrachteten Modell (aber auch bei anderen technologisch relevanten Modellklassen) in Abhängigkeit von den Daten erfüllbar sind. Mit Hilfe von Abschätzungen der freien Energie und der Dissipation gelingt es dann, die thermodynamische Korrektheit des Modells nachzuweisen und erste a--priori--Abschätzungen für Lösungen der Aufgabe herzuleiten. Um weitere a--priori--Abschätzungen zu finden, mußten wegen der Nichtlinearitäten in den Randtermen übliche Iterationstechniken modifiziert werden. So konnte schließlich die globale Existenz und Einzigkeit von Lösungen bewiesen werden (siehe [3]).

Einen weiteren Schwerpunkt der Untersuchungen bildete die Begründung von Näherungsverfahren, speziell der Zeitdiskretisierung. Für ein implizites und ein semi--implizites Schema konnte, ebenfalls durch energetische Abschätzungen, die thermodynamische Korrektheit gezeigt werden. Zugleich wurde deutlich, daß andere Diskretisierungsschemata diese Eigenschaft nicht erwarten lassen. Die globale Existenz von Lösungen der diskreten Aufgabe, deren Beschränktheit sowie weitere Regularitätseigenschaften der Lösung der kontinuierlichen Aufgabe liefern ein entsprechendes Konvergenzresultat (siehe [4]). Die thermodynamische Korrektheit impliziert eine Aussage über die Stabilität des Verfahrens. Untersuchungen zur Einbeziehung der Ortsdiskretisierung stehen noch aus. Es ist jedoch zu erwarten, daß das Scharfetter--Gummel--Schema wie in [2] die gewünschten thermodynamischen Eigenschaften und die entsprechenden Stabilitätsaussagen reproduziert.

Förderung: BMBF-Förderprogramm Anwendungsorientierte Verbundprojekte auf dem Gebiet der Mathematik

Projektliteratur:

  1. N. E. B. Cowern, P. C. Zalm, P. van der Sluis, D. J. Gravesteijn, and W. B. de Boer, Diffusion in strained SiGe, Physical Review Letters 72 (1994), 2585--2588.
  2. H. Gajewski and K. Gärtner, On the discretization of van Roosbroeck's equations with magnetic field, Technical Report 94/14, ETH Integrated Systems Laboratory, Zurich, 1994.
  3. A. Glitzky, K. Gröger, and R. Hünlich, Existence, uniqueness and asymptotic behaviour of solutions to equations modelling transport of dopants in semiconductors, Special topics in semiconductor analysis (J. Frehse and H. Gajewski, eds.), Bonner Mathematische Schriften, no. 258, 1994, pp. 49--78.
  4. A. Glitzky, K. Gröger, and R. Hünlich, Discrete--time methods for equations modelling transport of foreign--atoms in semiconductors, Nonlinear Anal. (submitted).
  5. A. Höfler and N. Strecker, On the coupled diffusion of dopants and silicon point defects, Technical Report 94/13, ETH Integrated Systems Laboratory, Zurich, 1994.
  6. H. Zimmermann, Messung und Modellierung von Gold-- und Platinprofilen in Silicium, Dissertation, Universität Erlangen--Nürnberg, Erlangen, 1991.



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BREMERO
Wed Apr 12 21:47:02 MDT 1995