Kooperation: F. Hubbuch (Bayer AG, Leverkusen), R. Zeller (Silicon Graphics / Cray Research GmbH, Grasbrunn-Neukeferloh), St. Zitney (AspenTech UK Ltd, Cambridge, UK), R. Lamour (Institut für Mathematik, HU Berlin)
Förderung: BMBF
Beschreibung der Forschungsarbeit: Der ökonomische, umweltverträgliche und sichere Betrieb von chemischen Anlagen, z. B. von großen Destillationsanlagen, erfordert die numerische Simulation der physikalisch-chemischen Prozesse sowohl für die Teilanlagen als auch für die gesamte Anlage. Die mathematische Modellierung dieser dynamischen Prozesse führt i. allg. auf Anfangswertprobleme für große Systeme von nichtlinearen Algebro-Differentialgleichungen (DAE), die sich bei der Simulation von Gesamtanlagen mit den gegenwärtig in den Simulatoren verwendeten numerischen Verfahren selbst auf Supercomputern nicht mehr effektiv behandeln lassen.
Aus diesem Grund werden von uns solche numerischen Verfahren und Simulationsansätze untersucht, die die durch die Modellierung vorgegebene hierarchische Struktur der chemischen Anlagen für die Simulation auf Parallelrechnern ausnutzen.
Komplexe chemische Anlagen (siehe Abb. 1) bestehen aus verschiedenen Prozeßeinheiten (Units), wie z. B. Pumpen, Verdampfern, Reaktoren oder Böden von Destillationskolonnen. Diese Anlagenbestandteile sind durch Stoff- und Wärmeströme untereinander verbunden und werden separat modelliert. Die dabei entstehenden DAE-Systeme sind entsprechend dieser Units in m Teilsysteme strukturiert
wobei u(t) den Vektor der Parameterfunktionen und y(t) den Vektor der unabhängigen Funktionen bezeichnen.
Mittels Partitionierungsalgorithmen werden Teilsysteme zu Blöcken zusammengefaßt. Durch geeignete Erweiterung der bei der Verwendung von BDF-Verfahren in jedem Diskretisierungszeitpunkt entstehenden nichlinearen Gleichungssysteme können diese durch effektiv parallelisierbare blockstrukturierte Verfahren vom Newton-Typ gelöst werden. Für die dabei erforderliche mehrfache Lösung schwach besetzter linearer Gleichungssysteme mit gleicher Besetztheitsstruktur aber verschiedenen rechten Seiten haben sich Gaußsche Eliminationsverfahren unter Verwendung von Pseudocode-Techniken bewährt [2].
Die in den letzten Jahren entwickelten Verfahren wurden in den Prototyp eines dynamischen Prozeßsimulators BOP (Block Oriented Process simulator - siehe Abb. 2) integriert [1,3]. Der Simulator benutzt eine Datenschnittstelle, die gegenwärtig noch aus Daten des kommerziellen Simulators SPEEDUP generiert wird [4]. Er ist auf Parallelrechnern vom Typ Cray J90 und SGI Origin 2000 implementiert. Der Simulator wurde auf der CeBIT'97 präsentiert und hat sich bei ersten Simulationsrechnungen für komplexe Anlagen der Bayer AG, Leverkusen, bewährt.
Mit Arbeiten zur Entwicklung eines eigenständigen Simulators für die numerische Simulation chemischer Prozesse, der insbesondere in einer integrierten Entwicklungsumgebung wie dem nachfolgend erwähnten ,,Simulation Manager`` eingesetzt werden kann, wurde begonnen. Der Entwurf einer Eingabesprache zur Beschreibung chemischer Prozesse wurde fertiggestellt. Sie erlaubt eine zweistufige hierarchische Modellierung der Prozesse mit Hilfe von Macros und Units. Mit der Implementierung eines Compilers, der die Schnittstelle für den DAE-Solver erzeugt, wurde begonnen.
Für die bei der dynamischen Simulation chemischer Anlagen erforderliche Berechnung konsistenter Anfangswerte für DAE-Systeme wurde von Herrn A. R. Rodríguez Santiesteban , in Fortsetzung der Arbeiten von H. Sandmann, ein Verfahren implementiert, das auf Arbeiten von R. Lamour (HU Berlin) basiert [5]. Es benutzt ein QR-Verfahren, bei dem Techniken für schwach besetzte Matrizen ausgenutzt werden. Testrechnungen an Problemen der chemischen Prozeßsimulation wurden erfolgreich durchgeführt.
Die dynamische Simulation komplexer chemischer Anlagen erfordert eine angepaßte modulare Entwicklung und Testung von Teilmodellen sowie ihre stufenweise Verschaltung (flowsheeting) zu einem Prozeßmodell der Gesamtanlage. Dabei ist es zunehmend nicht mehr möglich, ein homogenes Gesamtmodell zu erstellen bzw. konsistent weiterzuentwickeln. Daher wird ein neuartiger Ansatz für die Simulation von Gesamtanlagen verfolgt. Er geht von der Simulation von Teilanlagen aus, die in einem Zeitintervall für vorgegebene zeitabhängige Teilvektoren von Eingangsströmen (i. allg. Konzentrationen, Druck, Temperatur) die zugehörigen Teilvektoren der Ausgangsströme berechnen. Hierbei kann jeder Teilprozeß pro Zeitintervall unabhängig, verteilt in einem Rechner-Cluster, gerechnet werden. Die Verschaltung der Teilanlagen zur Gesamtanlage liefert ein System von Koppelgleichungen, das mit einem geeigneten ableitungsfreien Verfahren zu lösen ist. Für die Entwicklung und Testung der numerischen Verfahren an praxisrelevanten Aufgabenstellungen wurde uns der von der Bayer AG, Leverkusen, entwickelte ,,Simulation Manager`` als Simulationsumgebung zur Verfügung gestellt.Projektliteratur: